Persönliche Erklärung der Abgeordneten Elisabeth Kaiser zum Abstimmungsverhalten nach § 31 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Humanitäres Aufnahmeprogramm für besonders schutzbedürftige Asylsuchende aus Griechenland“, Drucksachen 19/16838 (neu), 19/17198 am 04.03.2020
Die Zustände in den Aufnahmeeinrichtungen auf den griechischen Inseln sind unbestritten katastrophal und untragbar.
Wir brauchen so schnell wie möglich eine Lösung für die Menschen in Griechenland. Wir müssen dabei darauf achten, dass wir einen Schritt in Richtung einer europäischen Lösung gehen. Bevor Deutschland Alleingänge unternimmt, ist es jeden Versuch wert, mit voller Kraft an einer Lösung zu arbeiten, an der sich so viele europäische Staaten wie möglich in kurzer Zeit beteiligen würden. Von einigen Staaten liegen auch schon Zusagen für eine Aufnahme vor.
Ich erwarte von Bundesinnenminister Seehofer, beim Innenministerrat heute in Brüssel nachdrücklich für eine „Koalition der Vernunft“ zu werben und konkrete Maßnahmen zur gemeinsamen Aufnahme von zumindest besonders Schutzbedürftigen auf den Weg zu bringen.
Ich bin für die Aufnahme von Geflüchteten im Rahmen einer europäischen Koalition, die Verantwortung übernimmt zum Schutze von Menschen in Not. Inzwischen haben sich mit Frankreich, Portugal, Finnland und anderen Staaten bereits eine nennenswerte Gruppe von Ländern zu einer gemeinsamen Aufnahme bereit erklärt. Ich erwarte, dass die deutsche Bundesregierung jetzt zusammen mit diesen Staaten die Aufnahme dringend in die Wege leitet.
Das Engagement unserer aufnahmebereiten Bundesländer, Städte und Gemeinden begrüße ich außerordentlich. Es ist wichtig zu wissen, dass es die Bereitschaft gibt, Schutzsuchende zügig aufnehmen zu können. Ich stehe auch hinter der Initiative des niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius, der sich als einer der ersten für die Aufnahme minderjähriger Geflüchteter stark gemacht hat. Zudem müssen wir Sorge tragen, dass schutzbedürftige Menschen auch im Rahmen der Familienzusammenführung nach den Regelungen der Dublin III-Verordnung schnell und unbürokratisch zu ihren Angehörigen in Deutschland reisen können.
Ebenso wichtig ist mir, dass wir schnell eine dauerhafte Verbesserung der Verhältnisse in den griechischen Hot Spots erreichen. Ein Weg könnte sein, dem UNHCR die operative Verantwortung zur Leitung der Flüchtlingszentren zu übertragen. Für eine grundsätzliche Lösung brauchen wir endlich eine Neuausrichtung der europäischen Flüchtlingspolitik und des gemeinsamen europäischen Asylsystems. Wir müssen weg vom Prinzip der Zuständigkeit des Ersteinreisestaates. Wir brauchen eine gerechte und solidarische Verteilung geflüchteter Menschen auf die einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Nur so schaffen wir dauerhaft eine Entlastung der Staaten an den EU-Außengrenzen und somit auch insbesondere Griechenlands. Daran arbeiten wir auf EU-Ebene mit Hochdruck.
Ein erster Schritt in Griechenland könnte die Entwicklung eines Pilotmodells für ein gemeinsam betriebenes europäisches Asylzentrum auf den griechischen Inseln sein.
Auf jeden Fall dürfen wir weder die Menschen in Griechenland noch die griechische Regierung mit diesen Herausforderungen alleine lassen. Die Europäische Union ist eine Wertegemeinschaft. Mit unserem gemeinsamen Handeln zur Aufnahme von Geflüchteten aus Griechenland machen wir einen ersten und notwendigen humanitären Schritt. Unser Ziel bleibt es, dass sich am Ende alle europäischen Mitgliedstaaten in diese Solidarität einbringen.
Jetzt gilt es, alle Anstrengungen auf eine europäische Lösung, an der nicht alle Länder teilnehmen müssen, zu konzentrieren. Nur so kann umfassend den Minderjährigen und den besonders Schutzbedürftigen geholfen werden. Eine Zustimmung zum Antrag der Grünen am heutigen Tag, würde einen Alleingang Deutschlands suggerieren und damit den Verhandlungen mit unseren europäischen Partnern zuwiderlaufen und nicht zu unserem gemeinsamen Ziel führen, eine europäische Lösung zu finden.
Wir sehen, dass die Kämpfe in Idlib die humanitäre Lage in Syrien weiter verschärfen und erneut viele Menschen zur Flucht Richtung türkische Grenze zwingen. Europa und die internationale Gemeinschaft ist gefordert, schnellstmöglich zu reagieren und bereit zu sein, weitere humanitäre Hilfe für die Menschen in Idlib und die Geflüchteten in der Türkei zu leisten.
Wichtige Maßnahmen zur Entlastung der Situation wären meines Erachtens jetzt die als „vorübergehende und außerordentliche Maßnahme“ vorgesehene Rückführung irregulärer Migranten von den griechischen Inseln in die Türkei zu beenden.
Zudem muss die EU-Türkei-Vereinbarung zur Zusammenarbeit in der Migration angepasst und weitere Mittelmeeranrainer einbezogen werden. Damit könnte die Sicherheit für Flüchtende sowie eine angemessene Versorgung sichergestellt werden.
Ich erwarte, dass die SPD-Fraktion einem klaren Vorschlag zum weiteren Vorgehen im Sinne dieser Erklärung und bezugnehmend zum Vorschlag der A-Ministerpräsidenten, im Koalitionsauschuss dem Koalitionspartner unterbreiten wird, zu dem dieser sich verhalten muss. Die Ministerpräsidenten der SPD haben sich darauf verständigt, sich für eine Lösung im Bundesrat stark zu machen, die eine vereinfachte Aufnahme von Kindern und unbegleiteten Minderjährigen zügig möglich macht.
Im Vertrauen darauf, dass die Bundesregierung die beschriebenen Verhandlungen mit allem Nachdruck verfolgt und darüber hinaus eine Antwort Deutschlands zur Entschärfung der Situation an der griechischen Grenze vorlegt, lehne ich den vorliegenden Antrag der Grünen ab.